Webmaster: www.Richard-Erben.de

 Heimatbahnhof: Engers/Rhein
Ein Foto und seine (mögliche) Geschichte

Wenn von Engers und der Eisenbahn die Rede ist, denken Eisenbahnfans meist an den einst wichtigen Güterbahnhof, den markanten Ringlokschuppen oder die mächtigen Dampflokomotiven, die einst dort stationiert waren. Dabei war das „Tor zum Westerwald“ in früheren Zeiten auch ein wichtiger Zugbildungsbahnhof, der neben besagten Dampfloks auch Waggons beheimatete. Leider wissen wir heute nicht mehr, welche Waggontypen es über die Jahrzehnte im einzelnen waren, die an ihrem Fahrgestell die Anschrift Heimatbahnhof Engers/Rhein trugen, jedoch dürften nach den Recherchen von Jürgen Moritz die auf dem Foto des Engerser Güterbahnhofes aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts abgebildeten ehemaligen preußischen Güterzuggepäckwagen sicher dazu gehört haben. Fast in jedem Güterzug konnte man früher einen solchen Pwg -so seine amtliche Bezeichnung- finden: Als rollendes Büro des Zugführers, als Gepäckraum oder als Aufenthaltsraum für weiteres Personal.
In den Zugbildungsbahnhöfen waren besondere Gleise für die Bereitstellung der Pwg vorhanden. Dort holte die aus dem Betriebswerk kommende
Lokomotive den Pwg ab und setzte sich mit ihm vor den restlichen Zug.

Die Beförderung von Güterzügen war in den Anfangsjahren des Schienenverkehrs eine äußerst personalintensive Angelegenheit. Mindestens jeder dritte Güterwagen musste mit Handbremsen ausgerüstet sein, die von Bremsern oder Hilfsbremsern bedient wurden. Zudem reisten in den Zügen meist noch einige Rangierer und Schaffner

mit, um die unterwegs anfallenden Rangieraufgaben zu bewältigten, nicht zu vergessen den Packmeister, der ebenfalls zum „mitreisenden Personal“ gehörte. So konnte es ein Güterzug in die „Brex“, der vielleicht aus einem duzend Waggons bestand, in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnbetriebes einschließlich des Lokpersonals auch auf ein duzend mitfahrender Bahnbedienstete bringen!

Der Zugführer „thronte“ beim Reisen auf einem erhöhten Sitz im Pwg und beobachtete die Signale sowie die Arbeit der Bremser auf ihren zugigen Arbeitsplätzen. Während der häufigen Pausen, die die Güterzüge der Vergangenheit einlegen mussten, damit die Lok und die Achslager der Waggons geschont wurden, erholten sich die Bremser im Gepäckwagen, der zu diesem Zweck mit Tisch und Bänken, einem Abort und Spinden sowie einem Ofen zur Kleidertrocknung und zum Aufwärmen der mitgebrachten Speisen und Getränke ausgestattet war. Bier -und Schnapsflaschen sollen übrigens -gut gekühlt- gelegentlich im Wasserkasten der Lok mitgeführt worden sein, was natürlich strengstens untersagt war!.

Zugeordnet waren die Güterzuggepäckwagen festen Heimatstandorten, von denen aus sie in regelmäßigen Umläufen, z.B. von Engers nach Altenkirchen und zurück, unterwegs waren. Auch nach der Einführung der Druckluftbremse fanden die Pwg weitere Verwendung bei der Eisenbahn und die letzten Exemplare verschwanden erst in den 1970iger Jahren von den Schienen, allerdings nur noch als Lager oder bestenfalls Bahndienstwagen genutzt.

Heute kann man nur noch wenige Waggons dieser Bauart, von Eisenbahnfreunden liebvoll restauriert, bei diversen Museumsbahnen bewundern. Und wenn auch kein Engerser Originalwaggon die Zeiten museal überdauert hat, so kann sich der Eisenbahnfreund zumindest an einem schönen Modell des Pwg Pr 14 erfreuen, der als Waggon mit der Nummer Mainz 121 474 von einem führenden deutschen Modellbahnherstelle produziert wird und der am Rahmen die Anschrift „Heimatbahnhof Engers“ trägt.

Sollte -was aus touristischen und wirtschaftlichen Gründen sehr zu wünschen wäre- auf der „Brex“ wieder ein Sonntagsfahrbetrieb aufgenommen werden, wer weiß, vielleicht kann man dann ja auch noch einmal einen Pwg hinter der Zuglokomotive bewundern, wie vor 50 oder 100 Jahren...


Weiter zu Text Nummer 17

Zurück zur Startseite der Sammlung